Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
Stahl ohne Kohle und Koks
Wenn Kohle bzw. Koks für die
Erschmelzung von Roheisen nicht mehr verfügbar ist, steht die herkömmliche
Hochofenmetallurgie zur Disposition. Hier ist das vom Salzgitterkonzern und der
Frauenhofer-Gesellschaft verfolgte Projekt „SALCOS“ zu nennen, mit dem Kohle
durch Wasserstoff ersetzt wird. Auch die österreichische Voestalpine hat eine
Pilotanlage installiert, um Wasserstoff mithilfe von Ökostrom zu
elektrolysieren. Thyssenkrupp will bis 2050 klimaneutral produzieren. Die
fördert das Gemeinschaftsprojekt mit Unternehmen wie Siemens. Der Kohleverzicht
wäre das Ende des Hochofens, denn das Eisenerz würde in festem Zustand in
Direktreduktionsanlagen von heißem Wasserstoff durchströmt. Das Produkt, sogen.
Eisenschwamm müsste anschließend in Elektrolichtbogenöfen geschmolzen und
veredelt werden. Der beträchtliche Strombedarf
für Wasserstofferzeugung und Lichtbogenöfen müsste aus regenerativen
Quellen kommen. Dies wäre im Sinne der Reduzierung des Kohledioxidausstoßes,
mit welcher Kostenstruktur und in welchem Zeitverlauf ist noch nicht absehbar.
Das Braunkohlekraftwerk Weisweiler,
dessen Blick mir bei meiner Fahrt nach Eschweiler nie entgangen ist, wird nach
dem Kohleausstieg 2030 vom Netz gehen. Bisher versorgte es viele Haushalte in
und um Aachen mit Fernwärme.
Deshalb tüfteln die
Spezialisten für Geothermie jetzt daran, welche Ersatzlösungen gefunden werden
können. Aussichtsreich scheint, dass aus tief liegenden Kalksteinen heißes
Thermalwasser herausgepumpt und ins Wärmenetz eingespeist werden kann. Dies
wäre klimaneutral, wenn auch wegen der Tiefenbohrungen sehr aufwendig und dazu
mit Risiken verbunden. Es muß vermieden werden, dass Thermowasser durch
Schmutzeinflüsse verunreinigt wird und erst recht, dass die
Trinkwasserversorgung gefährdet wird. Die Forscher und Wissenschaftler sehen in
der Erdwärme ein untertägiges Reservoir, in das viele alte Zechen einbezogen
werden könnten. Wie Bohrungen in anderen Regionen ergeben haben muß bei den
anstehenden Bohrungen auch vorsichtig umgegangen werden, damit durch
auftretende Erschütterungen Baustrukturen nicht beschädigt werden.
Nach so viel über
Kohleausstieg, darf Nostalgie nicht fehlen. Ja es gibt ihn noch den
Kohlehändler, wie aus Berlin berichtet wird, der die Kohleheizer in kleinen
Mengen mit anstrengender Sackträgerarbeit versorgt, überwiegend Braunkohle. Wann
die Kohlekommission die antike Heizungsmethode verbietet, sei dahingestellt.
Mich hat die Schilderung an
meine Jugend in Neckarsulm erinnert, als der Kohlehändler-eher sein
Hilfswilliger- mit einem von alten Rössern gezogenen Pritschenwagen durch die
Stadt fuhr, mit lautem Ruf „Kohle!“ Geladen hatte er Eierkohle (Presskohle),
Briketts und undefinierbare Restkohle. Wir Kinder wussten, nahm er die Kurve zu
forsch, fiel Kohle vom Wagen und wir sammelten sie. Da gab es zu hause eine
Belohnung. Denn Kohle war für die Familie ein nicht bezahlbares Heizmittel in
der Holzära.
Bleibt noch abwegig zu
fragen, warum das Wort Kohle zum Synonym für Geld wurde, vielleicht wurde sie
im Anfang so wertvoll wie Geld empfunden?
abgeschlossen: Dezember 2022
/Le
© Manfred Leiss