Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
Die Knappschaft und deren Entstehungsgeschichte
Im Jahre 2010 feierte die
Knappschaft, einst als Einrichtung der sozialen Fürsorge der Bergleute
gegründet, ihr 750-jähriges Bestehen. Als Urbaustein gilt die Urkunde des
Hildesheimer Bischofs Johann I.von
Brakel, mit der er am 28.Dezember 1260
der Sankt Johannis Bruderschaft am Rammelsberg bei Goslar seine Unterstützung
zusicherte; diese war zur Unterstützung kranker und verletzter Bergleute gegründet
worden. Man könnte im weitesten Sinne behaupten, dass damit die bis dahin
religiösen und von der Kirche unterstützten, sozialkaritative Aufgaben
wahrnehmenden Bruderschaften der Bergleute mit der Knappschaft nun eine
solidarisch orientierte Gemeinschaft etabliert haben. Verschieden deutbar und
in seiner Herkunft nicht hinreichend belegt ist der Begriff Knappschaft.
Der Begriff Knappe ist
gelegentlich auch dem ritterlich-höfischem Leitbild zugeordnet worden: Page,
Edelknabe, Ritter. Diesen Dreiklang hat sich sehr wahrscheinlich auch das
handwerkliche Zunftwesen im Mittelalter mit Lehrling, Geselle, Meister zu eigen
gemacht, anspruchsvoll unterlegt mit dem Motto: „Lehrling jedermann, Geselle,
der was kann; Meister, der etwas ersann.“
Im Jahr 1426 wird erstmals
die Belegschaft des sächsischen Bergbaureviers zu Freiberg als „dy knabschaft“
bezeichnet und 1479 wird die Knappschaft in der Bergordnung für Schneeberg
genannt.
1496 gründeten Bergleute im
Erzgebirge die Stadt Annaberg und zwei Jahre später eine „Knappschaft“. Als
Selbsthilfeorganisation bedurfte es einer verwaltenden und kontrollierenden
Instanz, es entstanden die aus den Reihen der Knappschaftsmitglieder gewählten
oder bestimmten Knappschaftsältesten als
eine Art Interessenvertretung der Knappschaftsmitglieder nach innen und außen.
Zusammen mit den Zechmeistern verwalteten sie die Geldmittel in den
Büchsenkassen und entschieden über die Verteilung der eingesammelten Mittel an
kranke und bedürftige Knappschaftsmitglieder; nach außen vertraten sie die
Interessen der Knappschaft gegenüber dem Bergwerksbesitzer und der staatlichen
Aufsicht. Mitte des 17.Jahrhunderts wurden die Knappschaften durch die
Bergbehörden verwaltet, die Knappschaftsältesten waren fortan nur noch dem
Bergmeister und dem Bergamt verantwortlich. Mit Erlass des preußischen
Knappschaftsgesetzes 1854 war der zu gleichen Teilen von Knappschaftsältesten
und Werksbesitzern gewählte Knappschaftsvorstand für die Verwaltung der
Knappschaftsvereine zuständig und mit dem allgemeinen Berggesetz von 1865 wurde
die Selbstverwaltung eingeführt. Die Funktion des Versichertenältesten fand
Eingang in das sich entwickelnde Rentenversicherungssystem und alle
Rentenversicherungsträger haben heute Älteste, die ihre Mitglieder beraten.
Glaubt man den Erfahrungsberichten lang gedienter Versicherungsältester, ist
ein Funktionsverlust im Getriebe der Versicherungsbürokratie nicht zu
übersehen.
Bahnbrechend für die späteren
Rentenversicherungssysteme war die erste Rentenordnung, die von Sachsen kommend
in`s Ruhrgebiet übertragen wurde. 1847 wird in den Knappschaften Preußens bei
der Festsetzung der Rente neben der Berufsstellung erstmals auch die Dauer der
Berufstätigkeit bzw. Beitragszeit als zweite Komponente berücksichtigt. Dies
fand seinen Niederschlag im Preußischen Knappschaftsgesetz 1854, mit der
Festschreibung „Leistung durch Beitrag“. Die spätere gesetzliche
Rentenversicherung sah als Finanzierungsgrundlage das Kapitaldeckungsverfahren
vor und erst mit der großen Rentenreform von 1957 wurde die gesetzliche
Rentenversicherung auf das Umlageverfahren umgestellt.
Viele Jahrhunderte waren die
Leistungen der Knappschaften ausschließlich ihren bergbaulichen Mitgliedern und
Familienangehörigen vorbehalten. Versicherte anderer Industriezweige haben teilweise
neidisch auf die bessere Rentenformel geblickt, oft ohne die besondere
Risikobeschäftigung der Bergleute bedenkend. Die ehemaligen Knappschaften
fanden Aufnahme in die 1969 entstandene Bundesknappschaft und mündeten in die
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See(KBS).
Diese ist neben ihrer
Funktion als Sonderversicherungsträger für Bergleute, Seeleute und
Bahnbeschäftigte auch Träger für viele andere Berufsgruppen und bietet für alle
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten eine frei wählbare Kranken-und
Pflegeversicherung an. Seit 2003 betreut die KBS in der Minijob-Zentrale
Millionen von Minijobbern und deren Arbeitgeber.
Zu diesem Schritt hat sich
der Gesetzgeber auch entschlossen, weil im Knappschaftsbereich eine
entsprechende Versorgungs- und Verwaltungsstruktur vorhanden war.
Den Knappschaften gebührt das
Verdienst vorzeigbare Einrichtungen für die medizinische Versorgung geschaffen
zu haben. Einige Knappschaftskrankenhäuser hatten auch nach 1945 teilweise
legendären Ruf, vor allem was die Behandlung von Verletzten durch Unfälle
betraf.
Durch die veränderte
Versichertenstruktur und die Aufnahme neuer Versichertengruppen gelang es KBS
sich trotz stark verringerten Bergbaubeschäftigten als starker
Versicherungsträger zu etablieren.
© Manfred Leiss