Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
Eisensteinzeche „Kleiner Johannes“, Arzberg
Der
Eisenerzbergbau, dem die Stadt ihren Namen verdankt, muß bereits vor
1268 betrieben worden sein. Im Zusammenhang mit dem Bergbau entstanden
zwei Hammerwerke, eine Stahlhütte, mehrere Kugelgießereien und
Rohrschmieden. Der Arzberger Bergbau hatte schon um 1400 eine Blütezeit
bis zum Niedergang durch die Auswirkungen des 30-jährigen Kriegs.Erst
urkundliche Aufzeichnungen im 14.Jahrhundert erwähnen ein „uraltes
Bergwerk“ in Arzberg. Die geologische Vielfalt ist der Grund für die
verschiedenen Erzvorkommen. Die Entstehung der Eisenerze geht auf die
Anhebung des einstigen Ozeans in dieser Gegend und der Auffaltung des
Variskischen Gebirges vor über 200 Millionen Jahren zurück. Vulkanische
Gase und Erzlösungen,vor allem mit Eisen, Mangan, Blei, Zink und Kupfer
drangen in die Klüfte ein. Eisenspat(Weißeisenerz-Siderit) entsteht, in
dem der Kalk(Marmor) das Eisen aufnimmt und sich umwandelt. Die
Erzlagerstätten sind von wechselnder Mächtigkeit bis zu 10 Metern und
bis zu 200 m Länge.
In der vorindustriellen Zeit hatten die
Vorkommen im Fichtelgebirge von Gold, Zinn, Eisenerz, Alaun und Kaolin
eine große wirtschaftliche Bedeutung. Z.Zeit werden noch Tone,
Speckstein, Marmor, Granit, Diabase und Basalte abgebaut. Um 1820 waren
42 Gruben in Betrieb, in denen 3000 to Erz gewonnen wurden und die 150
Bergleuten Beschäftigung boten. 1855 gab es immerhin noch 20 Zechen im
Arzberger Raum in denen 260 Bergleute Arbeit fanden. 1866 kam der
Bergbau zum Erliegen.Um 1890 kam es zu einem Aufschwung;das im Röstofen
geröstete Erz mußte auf schwierige Weise an die Abnehmer transportiert
werden. Der letzte Abbau datiert von 1937 bis 1941 nochmals mit letzter
Kraft reaktiviert.
Es wäre eine geschichtliche
Nachlässigkeit, würde man sich nicht des berühmten Mannes Alexander von
Humboldt und seines Aufenthaltes in Arzberg erinnern. Offensichtlich
war er im Gegensatz zu seinem geisteswissenschaftlich orientiertem
Bruder Wilhelm immer den Naturwissenschaften zugewandt, wozu auch das
Studium an der Bergakademie Freiberg beitrug. Diese war von Friedrich
Anton von Heynitz und Friedrich Wilhelm von Oppel 1765 gegründet worden.
Bei seinen Erkundungsreisen in die geologische Landschaft kam Humboldt
in seiner Eigenschaft als kgl.preußischer Bergmeister 1792 nach Arzberg,
nachdem von Heynitz ihn vorher als Bergassessor angestellt hatte. Er
wohnte zeitweilig im historischen Bürgerhaus und in der „Brauerei zum
Berg“. Inzwischen zum Oberbergmeister aufgestiegen trat er Anfang Mai
1793 eine feste Stelle in Franken an und bezog ein Anwesen in Bad
Steben. A.von Humboldt fasste seine Erfahrungen vor Ort in den Gruben
Susannen-Glück, Goldkammer-Fundgrube, Silberkammer Fundgrube, Anna
Christiana Fundgrube, Gottes Geschick Fundgrube und Friedrich Christian
Fundgrube 1792 zu dem Befahrensbericht für das Ministerium zusammen. „Um
das junge Bergvolk zu verständigen und brauchbaren Bergleuten
auszubilden“ ließ Humboldt nach dem Vorbild der „königlich freien
Bergschule zu Steben“ auch in seinem zeitweiligen Amtssitz Arzberg eine
solche Schule einrichten.
Ende 1795 schrieb er an die
Regierung, dass er für die Bergschule Arzberg bereits Vorschläge
eingereicht habe. Es handelte sich um eine von November bis Mai dauernde
Winterschule für „Bergjungen“ ab dem 12. Lebensjahr, die vorher die
öffentliche Schule besucht haben mussten und für „Lehrhäuer“ im Alter
von 24 bis 26 Jahren. A.v.Humboldt hatte mit seiner Feststellung
durchaus recht: „Es ist nicht zu erkennen, dass in einem anderen
Bergrevier des deutschsprachigen Raumes um diese Zeit gleichwertige
Anstrengungen um die Fachbildung der bergmännischen Jugend gemacht
wurden.“
Die Leistungen A.v.Humboldt`s wurden im Fürstentum
Ansbach-Bayreuth geschätzt, er war im April 1794 zum Bergrat und noch im
gleichen Jahr zum Oberbergrat befördert und von seiner unmittelbaren
Tätigkeit für die Gruben als Bergingenieur entbunden worden. Zweifellos
hat von Humboldt durch die Einführung von Arbeitserleichterungen und
mehr Sicherheit dem Arzberger Bergbau zu neuem Aufschwung verholfen.
Nach seiner Tätigkeit in Arzberg brach v.Humboldt zu seinen
Endeckungsreisen auf; sein Bericht über die Expedition nach dem
Chimborasso z.B. im Juni 1802(„Abenteuer eines Weltreisenden“, Wien
1980) ist auch heute noch eine spannende Lektüre. Durch seine Reisen und
Beschreibungen- auch von Pflanzen(Physiognomik und Geographie der
Pflanzen) und Mineralien sowie Meteorschwärmen u.v.a.- hat Humboldt
wesentliche Beiträge zur Erkundung der Erde geleistet. A.v.Humboldt war
der erste, der die kalte Meeresströmung an der Küste Perus und Ecuadors
systematisch gemessen hat. Er konnte nachweisen, dass der Perustrom, wie
Seefahrer ihn lange nannten, eine polare Strömung ist, die vom Südpol
an der Pazifikküste Südamerikas entlang nach Norden fließt. Deswegen
erhielt der Strom später seinen Namen.
Aber
Humboldt war nicht nur ein großartiger Naturforscher, er sympathisierte
auch mit den Bewegungen zu gesellschaftlichen Änderungen wie der
französischen Revolution 1789 und der gescheiterten deutschen Revolution
1848 und er zeigte dies, als er den Leichenzug der Märzgefallenen zum
königlichen Schloß anführte.
Er setzte sich für die
Emanzipation der Juden und für die Rechte der Bauern ein. Den
Chauvinisten galt er als Kosmopolit, den Reaktionären als heimlicher
Jakubiner, den Antisemiten als Freund der Juden und den Bigotten als
Atheist. Die Hofkamarilla versuchte alles in ihrer Macht stehende
v.Humboldt loszuwerden und machten ihn zur missliebigen Person. Er wurde
zeitweise unter Polizeiaufsicht gestellt, seine Wohnung überwacht und
die Post kontrolliert. Dank der schützenden Hand des Monarchen und wegen
seiner Bedeutung als Wissenschaftler von Rang überstand er die
Anfeindungen.
Der Aufstieg Deutschlands zu einer
wissenschaftlichen Weltmacht in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts
ist wesentlich Humboldt`s Fähigkeiten und seinem Vorbild zu verdanken.
Der preußische König schützte Humboldt vor Nachstellungen und
Verfolgungen und es half ihm auch die publizistische Berühmtheit. „ Ich
bin in der letzten Zeit eine missliebige Person geworden, und ich würde
längst als Revolutionär und als Autor des gottlosen Kosmos ausgewiesen
worden sein, verhinderte dies nicht meine Stellung beim Könige.“ So
beschrieb er es selber in den fünfziger Jahren. Humboldt war weltberühmt
und er hat wissenschaftliche Werke von Rang hinterlassen.
Zeit
seines Lebens schrieb und korrigierte er weiter an seinen
Aufzeichnungen; er schrieb auf Deutsch, Französisch, benutzte auch
Spanisch und Latein. Humboldts Methodologie ist nur aus seiner
kommunikativen Persönlichkeit heraus zu verstehen, aus grundsätzlicher
Offenheit gegenüber „neuen Phänomenen des Lebens mit denen der
unbelebten Natur.“ Hierzu liefern die in 2018 erschienenen Werke
beondere Einblicke: Alexander von Humboldt:Das Buch der Begegnungen und
Alexander
von Humboldt: Bilderwelten. H.M.Enzensberger erhob Humboldt in Cicero
10/2009 zum „ersten Öko-Aktivisten“. Der Historiker Frank Holl nennt ihn
einen Adeligen ohne Dünkel. Und in der Beschreibung der Tätigkeit
Humboldts als Oberbergmeister in der oberfränkischen Bergbauregion (SZ
29.12.2018) verlieh der Verfasser ihm das Prädikat: „Der rastlose
Denker“.
Bleibt zu hoffen, dass in Erinnerung an seinen 250
Geburtstag in 2019 die weltweit wissenschaftlichen Leistungen und seine
Vorbildfunktion für Generationen gewürdigt werden.
Nach
Humboldt erlebte Arzberg mit seinen vielen kleinen Zechen gute und
schlechte Zeiten. 1861 übernahm die “Prager Eisenindustrie-Gesellschaft“
eine Anzahl Zechen und führte sie unter dem Namen “ Kleiner Johannes“
weiter. 1903 entstand dann mit privater Beteiligung eine Gewerkschaft
„Eisensteinzeche Kleiner Johannes“, die schon 1905 den Betrieb
einstellte. Wie H. Fromm erwähnt, hatten die fremden Erzgruben in Bayern
während des 1.Weltkriegs und danach ihre Bemühungen verstärkt, Erz zu
vermarkten, wie etwa die Donnermarkhütte ( zu Luxemburg gehörend) auf
Kleiner Johannes. In der letzten Periode des Arzberger Bergbaus übernahm
die Maxhütte 1937 die Erzgrube Marienschacht und versuchte mit
erheblichem technischem Aufwand die Förderung in Gang zu setzen,
wahrscheinlich angetrieben durch den Vier-Jahresplan des NS-Regimes. Der
Betrieb wurde 1941 eingestellt und die Schächte verfüllt.
© Manfred Leiss