Da` Sprengmoista - KulturAS - Ihre Gemeinschaft für Kultur und Reisen

2024/2025
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Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
Da` Sprengmoista

Unsere Bergleute heizten bis in die sechziger Jahre fast ausschließlich mit Holz, vor allem in ihren Küchenherden, die täglich in Betrieb waren. Lediglich im Wohnzimmer wurde der Ofen mit Kohle beheizt, meistens mit Braunkohle, weil die am billigsten war, manchmal mit Briketts und sehr selten mit der teuren Steinkohle.
Das vom Bergwerk bereitgestellte Holz reichte meist nicht aus, um die Stuben einen ganzen Winter warm zu haben. Deshalb gingen die Familien um die Jahrhundertwende aufs „Kraglreissen", dort wo es der Waldbesitzer zuließ. Denn Leseholz gab es damals so gut wie keines. Die Wälder waren ausgeräumt.

Vor dem Zweiten Weltkrieg war eine weitere Möglichkeit, um an Holz zu kommen, das Stöcke graben. Die Bauern transportierten meistens nur das abgesägte Stammholz ab. Die Stöcke, mit den Wurzeln, blieben im Boden, denn sie auszugraben war sehr mühsam. Dennoch gruben gerade Bergleute die Stöcke aus, denn sie waren harte Arbeit gewöhnt.
Zuerst mussten die Wurzeln freigelegt und dann mit der Axt abgetrennt werden. Erst dann konnte der Stock, meistens mithilfe eines Stockhebers oder Flaschenzuges, soweit angehoben werden, dass man an die tiefer liegenden Wurzeln kam. Das „Steckgroom“ war eine reine Männerarbeit. Die „Oarzgrowa“ nahmen die Schufterei in Kauf und wussten sich mit Spaltkeil, Schlegel und Hebezeug zu helfen.
Die Mühe lohnte sich. Das Wurzelholz hatte einen hohen Brennwert, war aber teilweise sehr harzig und rußte entsprechend. Außerdem konnte man aus vielen Stücken Kienspäne machen, die damals – statt Papier – zum Anschüren der Öfen verwendet wurden.

Der Schore, ein junger Bergmann, war in den Zwanzigerjahren ein eifriger „Stöckegraber“. Er war darauf angewiesen, weil das nötige Kleingeld für seinen Hausbrand fehlte und die ganze Familie musste bei der schweren Arbeit mithelfen. Über Beziehungen kam er an Schwarzpulver und wollte sich damit das Stöcke graben leichter machen. Der Umgang mit Sprengstoff war zwar verboten, aber der Schore dachte sich: wo kein Kläger, da kein Richter. Das Holz lag in der Wüstenau, weit weg von einer Ortschaft und der Bauer war in die Sache eingeweiht.

Allerdings hatte der Schore keinerlei eigene Erfahrung mit Sprengstoff, nur das, was er aus der Grube wusste. Dort hatte er auch ein Stück Zündschnur „gefunden“, die er für seine Arbeit brauchte. Auch da kannte er nur vom Zusehen, wie man sie verwendet.

Dennoch machte sich der junge Mann unverzagt an die Arbeit. Er bohrte ein ca. 50 cm tiefes Loch in den Wurzelstock, wie er es in der Grube gesehen hatte, und füllte es mit dem Schwarzpulver. Dann schob er die Zündschnur nach, die er möglichst kurz abgeschnitten hatte, damit sie auch für einen weiteren „Schuss“ reichte. Er war eben sparsam, der Schore. Das Loch verschloss er in seinem bodenlosen Leichtsinn mit kleinen Steinen, denn Lehm, wie im Bergwerk, hatte er nicht und presste zum Schluss ein Stück rundes Holz in die verbliebene Öffnung. Dann zündete er die Lunte mit dem Feuerzeug an. Bis er sich ausreichend weit zurückziehen konnte, gab es einen riesigen Knall, der Stock explodierte. Die Lunte war viel zu kurz gewesen.

Ein paar Holzsplitter trafen ihn am Kopf, das Gesicht war voll Erde und er fiel nach hinten. Frau und Kinder mussten das aus - glücklicherweise- sicherer Entfernung mit ansehen. Die Frau schrie in panischer Angst um Hilfe, traute sich aber nicht näher an den Sprengort. Erst als sie sah, dass sich ihr Mann wieder aufrappelte, beruhigte sie sich.

Der kam trotz des Schrecks schnell wieder auf die Beine und ging - etwas wackelig- zu Frau und Kindern. Die Frau sah erleichtert, dass nicht viel passiert war, und ihr Schreck machte sich erst einmal in einer heftigen Schimpfkanonade Luft. Ohne Rücksicht auf die daneben stehenden Kinder musste er sich Schimpfwörter anhören, von denen „Rindvieh“ noch das harmloseste war.

Der Schorsch hatte unglaublich Glück gehabt. Die Holzsplitter hatten die Haut im Gesicht und auf der Stirn etwas verletzt, beim Hinfallen hatte er sich die Hand verstaucht. Der Stock war gespalten, aber einige der Steinchen, die er in das Sprengloch gefüllt hatte, steckten in der Rinde eines daneben stehenden Baums. Nicht auszudenken, wenn sie ihn im Gesicht getroffen hätten. Nun sah der Schorsch seine Dummheit ein. Er hoffte nur, sie würde nicht bekannt werden.

Aber die Sache sprach sich schnell herum, denn der Bauer und sein Sohn waren in der Nähe gewesen. Als sie den Knall und das Geschrei hörten, liefen sie sofort zum Unfallort und schimpften über die unglaubliche Blödheit des Schorsch. Einer von beiden hat wohl „nicht dichtgehalten“, denn auf Umwegen kam der Vorfall auch zur Polizei. Und weil der Schorsch unerlaubt mit Sprengstoff hantiert hatte, wurde er befragt. Es kam nichts heraus, weil es sich nur um eine kleine Menge Schwarzpulver gehandelt hatte. Die Obrigkeit wusste, dass „Stocksprengen“ den einfachen Leuten, das mühselige Stöcke graben erleichterte und sah oft weg. Bei Dynamit aus dem Bergwerk hätte es anders ausgesehen!i Der Mann wäre fristlos gekündigt worden.

In der Grube wurde er natürlich von den Kameraden befragt, wo er seine Verletzungen her habe: „Houst ebba mit deina Altn grafft?“. Er druckste mehrere Tage herum und wollte nichts sagen, was natürlich die Gruppe noch mehr anstachelte. Schließlich gab er nach und erzählte sein Missgeschick - ohne das Detail mit den Steinen. Das sorgte natürlich - gerade unter den Bergleuten, die täglich mit Sprengstoff umgingen, für großes Gelächter und entsprechende Kommentare. Wen wundert’s, dass der Schorsch seither den Spitznamen „Da Sprengmoista" hatte.

Bis nach einigen Wochen endlich „Gras über die Sache gewachsen“ war, fragte ihn der Schießhauer ab und zu, „na Schorsch, wüllst a´zindtn?“ Worauf der Gefragte nichts sagen mochte und sich ins Dunkel der Strecke verdrückte.

© Helmut Heinl 6/2020

i  Wer allerdings eine Genehmigung des Bezirksamtes hatte durfte auf einem eng begrenzten Areal (z. B. Flurstück)l Stöcke sprengen. Und wenn das Bergamt zustimmte, durfte sogar die Grube Sprengstoff an den Inhaber der Genehmigung abgeben.
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