Schichtwechsel um 1890
Die Bergleute sind auf dem Weg von der Stadt zum Etzmannsberg. Am „Kapellerl“ treffen gegen 9:30 Uhr einige zusammen, um den Weg gemeinsam zu gehen. Es ist Winter und bitterkalt. Der Schnee knirscht unter den Füßen. Ab der Gabelung zur Stollengasse geht die Schotterstraße in einen Feldweg über, der in dieser Zeit nur von den Bergleuten begangen wird. Es ist fast Vollmond. Da sich die Augen an das Dunkel gewöhnt haben, erleichtert er den richtigen Tritt zu finden. Die Stadt liegt völlig still und finster hinter ihnen. Aber als sie den Anstieg zum Judenfriedhof hinaufgehen, hören Sie bereits das Fauchen der Dampfmaschine. Es wird vom eiskalten Nordwind, der ihnen jetzt ins Gesicht weht, weit getragen. Die Maschine ist Tag und Nacht, unermüdlich tätig, um das Wasser aus der Grube zu pumpen und das gewonnene Erz über Tage zu bringen.
Die Männer ziehen sich den Hut fester auf den Kopf und wickeln den Schal enger, wenn sie überhaupt einen haben. Sie gehen gleichmäßigen Schrittes, vielleicht etwas schneller als sonst, weil es so kalt ist. Die Unterhaltung fließt locker dahin. Es geht um Dinge, die in der Stadt passiert sind, vielleicht auch über Erlebnisse aus dem Militärdienst. Denn der Krieg 1870/71 liegt erst wenige Jahre zurück und viele der Kameraden waren dort eingesetzt.
Grube Etzmannsberg um 1900. Zugang von Süden
Als sie den Hügel beim Judenfriedhof hinaufgestiegen sind, werden bereits die wenigen trüben Lichter der Grube Etzmannsberg sichtbar. Auch wenn es das modernere Petroleumlicht ist – die Zylinder sind nicht geputzt, ebenso wie die Fenster. Es ist eben eine Industrieanlage. Die einzige Lampe, die außen brennt, schaukelt über dem Eingang zum Grubengebäude, hinter dem sich die Wege in die Kaue, zur Hängebank oder zum Kesselraum verzweigen. Sie beleuchtet die einzelnen kleinen Gruppen die schnell dem Tor zustreben.
Auf der ebenen Schotterstraße, die geradewegs zum Tor führt, beschleunigen sich auch ihre Schritte. Sie wollen der Wärme entgegen, die sie im Gebäude erwartet. Denn durch die Abwärme der Kessel, der Dampfmaschine und auch einiger weniger Heizkörper sind die Räume gut temperiert. Das war vor zwanzig Jahren noch nicht so.
Mit dem Betreten der Kaue umfängt sie feuchtwarme Luft. Sie atmen befreit durch, ziehen ohne Eile ihre kalte Straßenkleidung aus und fühlen, nackt, die Wärme des Raums umso mehr. Ihre Arbeitskleidung, die sie an der langen Kette herablassen, ist warm und trocken, denn in der Höhe staut sich die Wärme. Sie hängen ihre Straßenkleidung, samt den Schuhen an den Haken und ziehen sie mit der Kette wieder hoch.
Gemächlich, in kleinen Gruppen, gehen sie in die eiskalte Schachthalle, denn die ist nach oben offen, gerade, dass der Wind nicht durchpfeift. In lockerer Reihe stellen Sie sich hintereinander an, denn wer zuerst einfährt, darf auch zuerst wieder ausfahren.
Pingping , der Förderkorb kommt von unten herauf. Ping - das Eisengitter wird aufgeschoben und sechs Männer kommen heraus. „Mensch, iss daou kold. Daou derma uns woam aazeing".
Auf der Grube Etzmannsberg um 1900;
links im Bild der Anschläger
Beim Aussteigen hält jeder dem einfahrenden Kameraden seinen Frosch hin, damit er anzünden kann. Dann eilen sie den kurzen Weg in die warmen Waschräume neben der Kaue.
Die eingestiegenen Sechs schließen krachend das Gitter des Förderkorbs. Ping, Ping, Ping der Korb ruckt an und verschwindet in der Tiefe. Man hört nur noch das Summen des Förderseils.
Die Aufgefahrenen stehen splitternackt unter den Duschen und waschen sich den rostfarbenen Dreck vom Körper und den Händen, wo er sich in den Fingernägeln besonders festgesetzt hat. Jeder hat einen Buckelwäscher, der ihm den Rücken schrubbt. Dann geht es in die Kaue. Die gut durchgewärmte Straßenkleidung an der Kette herablassen, die feuchte Arbeitskleidung, samt den Stiefeln hinaufziehen. Dann kann der Feierabend beginnen.
Die Männer wissen, bei dieser Kälte kann man nur zusehen, dass man schnell nach Hause kommt, in die warme Wohnung und dann bald ins Bett geht.
Sie gehen wieder in kleinen Gruppen zurück, diesmal den eisigen Wind im Rücken. Das macht ihn etwas weniger unangenehm. Am "Kapellerl" lösen sich die Gruppen auf. Einige Männer gehen den steilen Weg in die Stadt hoch, an der Landkutsche vorbei, wo noch Licht brennt. Die anderen biegen Richtung Spitalkirche ins Bachviertel ab. Sobald sie in die engen Straßen kommen, lässt der kalte Wind nach. In wenigen Fenstern brennt noch Licht. In den meisten Häusern schlafen die Menschen bereits.
An die Kameraden aber, die zu Fuß noch weite Wege zurücklegen müssen, wie nach Iber, nach Röckenricht, Fromberg oder gar Edelsfeld denkt keiner. Jeder ist froh, dass der Tag vorbei ist. Im Herd brennt noch Feuer und nach einer Brotzeit in der warmen Stube, kann er sich ins Bett legen. Die Frau hat es fürsorglich mit einem eingewickelten Ziegelstein aus der Backröhre vorgewärmt.
i) Rasenhängebank sind die Einbauten im Fördergebäude über Tage (Rasen), in dem die Fördergefäße entleert und Material in den Schacht transportiert wurde.
ii) Seilfahrtsignale 1 Schlag = Halt 2 Schläge = Auf 3 Schläge = Hängen (abwärts), waren in einer eigenen Bayer. Verordnung geregelt und damit für alle Bergwerke gleich.
iii) Mit Öl betriebene Grubenlampe