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"Leben in der Bergmannssiedlung"
Aussichtsreich – Rundumblick vom Etzmannsberg
Längst
vergessen ist, dass sich um die Jahrhundertwende, auf dem vorderen
Etzmannsberg (500 m) ein Aussichtspunkt mit einem Pavillon befand. Die
Kuppe, direkt über dem Judenfriedhof, war damals völlig kahl und bot so
eine Rundumsicht nach allen Himmelsrichtungen.
Dr.
Pfeiffer schreibt „Erst im Norden der Erzberg (501 m), Gipfel 20
Minuten von der Stadt, gekrönt von einem 10 m hohen Aussichtsturm mit
Orientierungsplatte, Rundsicht auf Fichtelgebirge,…. Schlüssel im ersten
Bergwerk an der Staatsstraße nach Hahnbach 10 Pfennig“.
Wer
den Pavillon errichtet hat konnte bisher nicht festgestellt werden. Wir
wissen, dass der Pfarrer Dr. Richard Pfeiffer ein großer Naturfreund
war und als Pionier für die touristische Erschließung des Sulzbacher
Birglandes gilt. Im Jahr 1903 beschreibt er den Aussichtspunkt als
„kahlen von einem Pavillon gekrönten "Erzberg", ohne jedoch einen
Aussichtsturm zu nennen.
Vom
langjährigen Obersteiger Ludwig Ritter weiß ich, dass sich der damalige
Betriebsleiter Richard Glatzl (ab 1908) um diesen Aussichtspunkt
verdient gemacht hat. Er soll auf Kosten der Maxhütte und mit Einsatz
von Bergleuten einen Zickzack-Pfad vom Judenfriedhof bis zur Bergspitze
errichtet haben. So war der Pavillon von Sulzbach aus bequem zu
erreichen. Ob Glatzl auch der Erbauer des Aussichtspunkts war, ist nicht
anzunehmen. Nach Recherchen des Sulzbacher Hausforschers Karl Kühltau,
war es wahrscheinlich der Verschönerungsverein Sulzbach e. V.. Kühltau
konnte bei seinen Grundbucheinsichten feststellen, dass das Grundstück
PlNr. 1636 im Eigentum von Ottmann, Etzmannshof mit Urkunde vom 9. Mai
1905, Urk. Nr. 236 des Notariats Sulzbach mit einer Dienstbarkeit
folgenden Inhalts belastet wurde:
„Recht
des Verschönerungsvereins Sulzbach e. V. zur Errichtung und
unbeschränkt dauernder Unterhaltung eines Aussichtsturmes auf PlNr.
1636 nach Maßgabe der vorgenannten Urkunde“.
Der
Betriebsleiter hat also wahrscheinlich die Baumaßnahme nur gefördert.
Beim Verkauf dieses Grundstücks, im Jahre 1932 an die Maxhütte, haben
sich die Verkäufer Ottmann verpflichtet, dieses Recht zur Löschung zu
bringen. Der Turm dürfte daher nur etwa 20 Jahre gestanden haben. In der
nächsten Veröffentlichung einer Ortsbeschreibung, im Jahr 1926, wird
nur noch die Rundsicht auf Fichtelgebirge etc. erwähnt. Um mehr ans
Licht zu bringen, müsste man die Zeitungen der Jahre nach 1905
durchblättern.
Mein Vater (*
1908) konnte sich noch an ein baufälliges Holzgerüst und die bronzene
Orientierungstafel erinnern, die aber dann eines Tages verschwand.
Für
die Sulzbacher der damaligen Zeit war der Aussichtspunkt sicher eine
wunderbare Einrichtung. Denn Autos konnten sich nur die Allerwenigsten
leisten. Man war also viel zu Fuß unterwegs. Vor allem bot sich die nur
500 m entfernte Grube Etzmannsberg als Rastplatz an. Dr. Pfeiffer
schreibt dazu: „Einfahrt in das Bergwerk (Karoline) nach Meldung beim
Grubenverwalter wird freundlich gestattet“. Der von Obersteiger Ritter
erwähnte Weg scheint damals noch nicht existiert zu haben, denn der
Verfasser schreibt: „Vom Bergwerk aus bleibe man auf der alten Straße
bis zur Höhe, von wo aus ein holpriger und ausgefahrener Weg zuletzt
durch einen abgebauten Steinbruch zum Pavillon führt.“ Das Loch des
Steinbruchs, westlich des Gipfels, kann man heute noch erkennen.
Allerdings ist das Gelände schwer zugänglich, völlig zerklüftet und
zugewachsen. Nur im Winter, wenn die Bäume ihr Laub verloren haben, hat
man einen wunderbaren Blick auf Sulzbach.
Die
einstige Erzhülle (heute sanierter Schuttplatz) beschreibt Pfeiffer wie
folgt: „Gegen Süden: direkt am Abhang des Berges ein Bild von
eigentümlicher Melancholie, der einsame Judenfriedhof von etlichen
Fichten und Birken überragt, daneben die „Sulzbacher Alm“, ein weiter
grasbewachsener Kessel, von dessen Grund die kleine Wasserfläche der
„Erzhülle“ wie ein schwermütiges, dunkles Auge heraufschaut. Der ganze
Kessel ist im Sommer und bis in den späten Herbst hinein belebt von
weidenden Rindern und Schafen….“.
Dem
Wanderer empfiehlt der Verfasser auf Seite 44: „Wen das Steigen durstig
gemacht hat, der gehe auf der Bergwerkstraße vom Judenfriedhof westlich
zum Bergwerk Etzmannsberg, wo er beim Maschinisten eine Flasche Bier
und ein paar Bänke zur Rast findet.“
Die
alten Feuerhofer werden sich an die Erzhülle noch erinnern können.
Rinder und Schafe habe ich dort nicht gesehen. Vielmehr erschien uns
Kindern das schwarze, tiefe Wasser unheimlich. Das galt vor allem am
vergitterten Stollenmundloch, aus dem es immer eiskalt und modrig
herauswehte.
Die
Bauten am Etzmannsberg wurden bereits 1933, abgebrochen. Die Gebäude
der Grube Karoline folgten 1965 mit dem Abbau des Sicherheitspfeilers.
Der Schacht verstürzte. Alle Reste, die noch vorhanden waren, wurden mit
der Begradigung des Geländes einplaniert.
© Helmut Heinl 2023
Vorderer Etzmannsberg mit Bruchfeldern, die sich vom Gipfel bis zur Erzhülle hinunterzogen.
Pfeil: ungefährer Standort des Aussichtsturms
[i]
Dr.
Richard Pfeiffer „Geschichte und Ortsbeschreibung von Sulzbach und Umgebung“ S.
42 und „Sulzbach und der Oberpfälzer Jura“ herausgegeben vom
Verschönerungsverein Sulzbach e. V… S. 31“
[ii]
Dr.
Glatzl war, nach meiner Kenntnis als Betriebsleiter zuständig für alle
Sulzbacher Gruben. Sonst hätte er das nicht veranlassen können. Denn aus seiner
Privatschatulle hat er das sicher nicht bezahlt.
[iii]
Er erzählte mir auch,
dass die Feuerhofer in den letzten Kriegsjahren von dort oben die Luftangriffe
auf Nürnberg beobachteten. Zuerst kamen die „Christbäume“, die das Stadtgebiet
beleuchteten, dann konnte man die Lichtblitze der Bomben erkennen. Kurze Zeit
färbten sich, auf breiter Front, Gewölk und Rauchschwaden rot. Die Bergleute
wussten, dass sie am nächsten Tag wieder als Bergungstrupps in die Stadt
abkommandiert wurden.
[iv]
Sulzbach i. d.
Oberpfalz Geschichte und Ortsbeschreibung der Stadt und Umgebung von Dr.
Richard Pfeiffer, überarbeitet vom Verschönerungsverein Sulzbach 1926 2. Aufl.
S. 63