Helmut Heinl Geschichte des Papiermüllners - KulturAS - Ihre Gemeinschaft für Kultur und Reisen

2025/2026
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"Leben in der Bergmannssiedlung"
Der Papiermüllner und der Praktikant,
eine Geschichte, erzählt vom Pfeiferlsteiger

Der  „Papiermüllner“ soll eigentlich ein recht friedfertiger, aber  verschlossener Kamerad gewesen sein. Wie viele Bergleute war er groß und  kräftig gebaut und seine Fäuste ließen erkennen, dass er zupacken  konnte. Eines konnte der Bergmann allerdings nicht vertragen: wenn man  ihn bei seinem Spitznamen rief. Es hatte sich auf der Grube Karoline  schon herumgesprochen, dass man ihn damit bis zum Äußersten reizen  konnte. Dazu nutzten die Kameraden natürlich jede Gelegenheit. Mit der  Zeit hatte sich die Wirkung des Reizwortes so gesteigert, dass es  genügte, dem Papiermüllner einen Fetzen Papier zu zeigen. Dann war es  allerdings das Beste, sofort möglichst schnell davonzulaufen und sich  gut zu verstecken.

Eines Tages sollte der  Markscheider, der Vermessungsingenieur im Bergbau, vom Bergamt Amberg  einfahren, um eine Strecke (Stollen) zu vermessen. Der Pfeiferlsteiger,  ein „ Oarzgrowa“, der nie um einen Streich verlegen war, sollte den  Markscheider führen. Denn er kannte sich im weitverzweigten Grubengebäude aus (so heißen die ganzen Wege und Orte unter Tage) und  wusste die einzelnen Vermessungspunkte.

Ein  Praktikant, dessen Vater Bergrat im Bergamt war, sollte den beiden als  Helfer zur Hand gehen. Für den Pfeiferlsteiger eine Gelegenheit, dem Papiermüllner wieder einmal einen Streich zu spielen. Nachdem die  Vermessung beendet war, lud er sich das Vermessungsgerät auf, denn der Markscheider als Respektsperson brauchte nichts tragen. Dann zog er noch  einen Zettel aus der Tasche, drückte ihn dem Praktikanten in die Hand  und sagte ihm, er solle den Zettel einem Bergmann geben, den sie dort  auf der Strecke treffen würden. Er werde den Mann schon erkennen, wenn  er ihn grüßen werde. Er selber wolle nichts mit dem zu tun haben, da er  sich nicht mit ihm vertrage.

Dann ging er mit dem Markscheider in Richtung Schacht voran. Als  sie zu dem Mann kamen, grüßte ihn der Pfeiferlsteiger mit „Glück auf“  und einem kräftigen Kopfnicken. Dabei sah er den Praktikanten an. Dieser wusste Bescheid, ging auf den Bergmann zu und hielt ihm den Zettel hin.  Der Papiermüller warf sofort die Schaufel weg und schrie den Jungen an:  „Rotzlöffl, hau bloß ab mit dei'm Fetzn!". Der Junge, ahnungslos, rief  dem Papiermüllner zu, er solle doch den Zettel nehmen. Da war es schon  geschehen! Der Papiermüller haute dem Praktikanten links und rechts eine  hinein, dass es nur so knallte. Der arme Junge wusste gar nicht, wie ihm geschah! Und ehe er erkannte, was los war, hatte er schon wieder  zwei erwischt. Endlich reagierte er, lief davon und der vierschrötige  Mann lief ihm noch ein paar Meter unter wüsten Beschimpfungen nach.

Völlig  verstört holte der Junge den Bergmann mit dem Markscheider ein und  erzählte ihnen was passiert war. Der Markscheider war ganz entrüstet,  fragte den Pfeiferlsteiger, ob der Mann wohl verrückt sei, weil er den Praktikanten einfach geschlagen habe. Darauf wusste dieser natürlich  auch keine Antwort und meinte nur, ein recht komischer Kerl sei dieser  Mann schon immer gewesen.

Bei der nächsten  großen Veranstaltung des Bergknappenvereins hielt der Vater des  Praktikanten die Festrede. Die Feuerwehrkapelle Großenfalz, bei der der  Pfeiferlsteiger mitspielte (daher der Spitzname Pfeiferlsteiger), hatte  die musikalische Umrahmung übernommen. Als der Bergrat den Mann  erkannte, schob er sich zwischen den Musikern hindurch auf ihn zu und  schüttelte ihn lachend an den Schultern. Augenzwinkernd fragte er ihn,  wie es gekommen sei, dass sein Sohn ein paar Ohrfeigen bekommen habe. Er  kannte nämlich den Erzgräber schon von einer anderen Geschichte her.  Der hat ihm dann den wahren Hintergrund erzählt und beide haben herzlich  gelacht.

© Helmut Heinl 2021

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