Der letzte große Bergmann des Sulzbach-Auerbacher Reviers hat uns verlassen.
Andenken an Sicherheitssteiger Martin Nägele
Er ist in einer Reihe mit Direktor Beckenbauer und Obersteiger Ritter zu nennen.
Der Bergbau-Ingenieur Martin Nägele war, sowohl in den Sulzbacher als auch in den Auerbacher Eisenerzgruben, eine bekannte Persönlichkeit. Seine lange berufliche Laufbahn hat er 1951 auf dem Holzplatz der Grube Karoline in Sulzbach begonnen. Nach Abschluss der Bergbauschule begann er als Grubensteiger auf der Grube Nitzlbuch in Auerbach, wurde zum Obersteiger und später zum Sicherheitssteiger ernannt. 1987 schied er, nach 37-jähriger Tätigkeit im Bergbau, aus dem aktiven Dienst aus.
Geboren wurde Martin Nägele am 27.2.1933 in Neisse (heute Nysa Polen), als einziger Sohn des Maschinenhändlers Martin Nägele und dessen Ehefrau Ottilie Nägele, geborene Brauner. Die Kindheit verbrachte er auf dem Land seiner Großeltern. Bis zur Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg besuchte er dort das Eichendorff-Gymnasium.
In den letzten Lazarettzug, der aus seiner Heimatstadt wegfuhr, kam er mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern nur deshalb, weil der Lokführer beschloss, noch Frauen mit Kindern und alte Leute mitzunehmen.
Im Februar 1945 wurde er mit seiner Mutter und zwei Schwestern beim Förster Bauer, in Forsthof, am Weg nach Gassenhof einquartiert. Ab da besuchte er die Oberrealschule in Sulzbach-Rosenberg. Am 23.7.1951 begann er über Tage, auf dem Holzplatz der Grube Karoline, mit der bergmännischen Arbeit. 1955 besuchte er in Hamm/Westfalen die Bergbauvorschule und ab 1957 die Bergbauschule in Dortmund. Das war eine Zweigschule der Bergbauschule Bochum.
Da die Bergbauschulung immer mit einer aktiven Tätigkeit im Bergbau verbunden war, legte er auf der Zeche „Sachsen“ in Heessen, bei Hamm/Westfalen an und arbeitete dort während seines Studiums.
Nach erfolgreichem Abschluss der Bergbauschule begann er 1960 als Grubensteiger auf der Grube Nitzlbuch in Auerbach und richtete sich häuslich ein. Ab 1963 wurde er zum Reviersteiger berufen. Ab 1967 wurden ihm Aufgaben für die Arbeits- und Grubensicherheit übertragen, wobei er auch die Urlaubsvertretung für Führungskräfte übernahm.
Mit der Erschließung der Grube Leonie (unteres Erzlager) wurde ihm die Erstellung der Betriebspläne für die Grube übertragen. Diese mussten jährlich beim Bergamt Amberg zur Genehmigung eingereicht werden.
Mit dem Konkurs der Maxhütte (am 18.4.1987) schied er im 55. Lebensjahr aus dem aktiven Dienst als Bergmann aus. Er war der letzte Eisenerz-Bergbauingenieur der Bundesrepublik.
Zum Menschen Nägele:
Martin Nägele interessierte sich nicht nur beruflich, sondern auch privat für den Bergbau. Er war mit Leib und Seele ein traditionsbewusster Bergmann, nicht immer bequem, aber mit profundem Fachwissen. Es ging ihm nicht nur um die möglichst wirtschaftliche Erzgewinnung, sondern auch um das bergmännische Leben und die bergmännische Tradition. Wie kaum ein anderer sammelte er Relikte aus dem historischen Bergbau, von Gummistiefeln über Grubenlampen, Grubenrisse bis zu Erzstufen und Mineralien.
Im Stadtmuseum Sulzbach-Rosenberg war er 1984/85, zusammen mit Mitgliedern des örtlichen Bergknappenvereins, wesentlich an der fachlich richtigen Ausgestaltung des bergbaulichen Bereichs beteiligt. Auf seine Anregung und mit Teilen seiner Sammlung stattete er 2010/11 die Bergbauabteilung des Stadtmuseums Auerbach aus.
Vgl. http://www.weber-rudolf.de/museum34.htm
In seiner Freizeit befuhr er aufgelassene Bergwerke im In-und Ausland. In der Umgebung von Auerbach kannte er historische Stätten des Bergbaus und der Eisenverhüttung. Von ihm habe ich, auf meine Fragen zu Bergbauthemen, immer eine fundierte Antwort erhalten.
Ein weiteres Hobby „leistete“ er sich noch. Als passionierter Imker war er über viele Jahre Vorsitzender des Imkervereins Auerbach und gab sein Wissen an Jüngere weiter. Noch 2022, mit 89 Jahren, betreut er seine Bienenstöcke.
Hört man sich unter alten Bergleuten in Sulzbach und Auerbach um, gilt Martin Nägele nicht nur als respektierter, sondern auch als geschätzter Bergmann. Dies äußerte sich vielleicht auch im Geschenk, das er zu seiner Verabschiedung von der Stilllegungsmannschaft erhielt, eine in Plexiglas gegossene Silberdistel. Sie sollte ausdrücken, dass die Anordnungen bei seinen Befahrungen, zwar als „sehr stachelig“ empfunden wurden, sich aber später doch als richtig herausstellten.
Besondere Wertschätzung hegte Nägele für den langjährigen Obersteiger Ludwig Ritter von den Sulzbacher Gruben. Nach seinen eigenen Worten war es für ihn eine besondere Ehre, als er – selbst Obersteiger – den Obersteiger a. D. Ritter in seiner Grube Leonie führen durfte.
© Helmut Heinl 10/2024