Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
„Außerplanmäßiger Ausstieg“
Der
Annaberg steht auch heute noch auf gutem Erz. Der „Erzbuckel“ wie
Bergwerksdirektor Kirschhock sich ausdrückte, ging vom St. Anna Schacht
bis weit unter den Annaberg. Um die Annabergkirche zu schützen, wies man
darunter einen sog. Sicherheitspfeiler i aus. Der Erzabbau am Südhang hatte dennoch zur Folge, dass Senkungen auftraten und die Kirche Risse bekam.
Größere Senkungen gab es östlich vom Schelmesgraben. Die tiefen Pingen ii sind heute sichtbar, wenn man den Fußweg am Annaberg Südhang, Richtung Lobenhof, entlang geht. Ursache dafür waren Uraltungen iii beim ehemaligen Schützenheim. Dort konnte der kundige Bergmann schon am Gelände die Pingen des früheren Bergbaus erkennen.
Als
der Abbau dann vom Annaschacht her in den noch vorhandenen Erzkörper
kam, stießen die Bergleute auf mehrere Uraltungen. Obersteiger Ritter
erzählte, dass „die Alten“ erhebliche Erzreste (hartes Erz)
zurückgelassen hatten. Bei deren Abbau kam man bis dicht an die
Oberfläche. Ursache war, dass das Erz und damit der Erzabbau bis zu 20
m, möglicherweise auch bis zu 10 m unter die Erdoberfläche hoch gingen.
Die geringe Überdeckung veranlasste die dort arbeitenden Bergleute,
durch die restlichen Meter einen kleinen, einfach ausgezimmerten
Schacht, nach oben, ans Tageslicht aufzufahren. Obersteiger Ritter hatte
das genehmigt, denn so konnten frische Wetter (frische Luft) in den
Schacht einziehen und die Belüftung deutlich verbessern iv.
Der Nebeneffekt war, die Kameraden stiegen zum Rauchen an die frische
Luft. Und sie holten sich - was der Obersteiger nicht wusste -
regelmäßig ein Kastl Bier in die Grube. Flaschenbier war unter Tage
verboten. Dennoch, die Kameraden sprachen sich ab, wer sein Auto am
Annabergweg parkte. Der holte dann auch, während der Schicht, das Bier
aus dem Kofferraum. Damit der Steiger nichts merkte, verschwand der
Kasten, direkt neben dem Schacht, unter ein paar Schwarten.
Das
„Schachtl“ war oben mit einer Bretterhütte überbaut. Sie war von innen
verschlossen, damit niemand hineinstürzte. Anlieger und Spaziergänger
wussten nicht, was der Verschlag zu bedeuten hatte, vor allem nicht,
dass er ins Bergwerk führte. Die Schachtöffnung war mehrere Wochen
offen, bis sie durch den darunter fortschreitenden Erzabbau einstürzte.
Auf der Ostseite des jetzigen Parkplatzes brach ein großes Loch ein.
Bäume hingen so schief, dass sie gefällt werden mussten. Das Areal wurde
abgesperrt und die Reste der Hütte verschwanden im nachrutschenden
Boden. Der Erdtrichter wurde später großflächig aufgefüllt.
Solche
großen Erdsenkungen sind heute nicht mehr vorstellbar. Damals war das
normal, denn der Bergbau und die Bruchgebiete waren allgegenwärtig.
© Helmut Heinl 2/2023
i Siehe Seite „Begriffe aus dem Bergbau in Sulzbach-Rosenberg“
ii dito
iii dito
iv Die Abwetter (verbrauchte Luft) wurden über den Luftschacht ausgeblasen.
Quellen: Obersteiger Ludwig Ritter, Bergwerksdirektor Eugen Kirschhock